Liebe Leserinnen und Leser,

In einem Vortrag vor Studenten in Zürich habe ich kürzlich einen wichtigen Aspekt des islamischen Finanzwesens angesprochen – den vorsichtigen Umgang mit Schulden. Diese Sichtweise beleuchtet die Risiken, die mit der zinsgetriebenen Anhäufung von Schulden verbunden sind, und liefert wertvolle Erkenntnisse über die aktuelle Bankenkrise. Mit Parallelen zu historischen Krisen und Hinweisen für Privatanleger möchte dieser Blogbeitrag die islamische Sichtweise auf Schulden und ihre Relevanz für die derzeitige Finanzlandschaft beleuchten.

Die islamische Sichtweise auf Schulden:

Der Islam betrachtet Schulden mit Vorsicht und ist sich bewusst, dass sie zu untragbaren finanziellen Belastungen führen können. Der Koran verbietet die Erhebung von Zinsen auf Geld und betont Fairness, Gerechtigkeit und ethisches Verhalten bei Finanztransaktionen. Dies ist eine der bekanntesten und am wenigsten verstandenen Interventionen in den Traditionen.

Zinsen auf Zinsen und nicht tragbare Schuldenberge:

Einer der kritischen Punkte, die in der Vorlesung hervorgehoben wurden, war das Konzept des Zinses auf den Zins, das zur Anhäufung von nicht tragbaren Schuldenbergen führt. Wenn die Schulden aufgrund von Zinseszinsen exponentiell wachsen, können Einzelpersonen, Unternehmen oder sogar ganze Volkswirtschaften in einen Kreislauf der Verschuldung geraten, der immer schwieriger zu überwinden ist. Dieser Gedanke kann als warnendes Beispiel für die derzeitige Bankenkrise gesehen werden: In der Reihenfolge der Offenbarung verbot der Koran zunächst die Zinsen auf Zinsen und beendete erst in einem weiteren Schritt die Erhebung von Zinsen im Allgemeinen. Ein exponentielles Wachstum der Schulden ist niemals nachhaltig und muss begrenzt werden. Als Erklärung für die Mainstream-Ökonomen: Der Islam erlaubt die Verzinsung von Kapital in verschiedenen Formen, nur nicht von Geld, was das Zinseszins Problem löst.

Historische Bankenkrisen: Gelernte Lektionen:

Der Vortrag lenkte die Aufmerksamkeit auf vergangene Bankenkrisen, um einen Kontext für die aktuelle Situation zu schaffen. Die Sparkassen- und Kreditkrise der 1980er Jahre, die durch die Anhebung der Zinssätze ausgelöst wurde, zeigte die Gefahren volatiler Kreditvergabepraktiken und übermäßiger Risikobereitschaft. Auch die solvenzähnliche Finanzkrise von 2008 hat sich noch nicht vollständig entwickelt und gibt Anlass zur Sorge über mögliche Auslöser wie Immobilienprobleme von Unternehmen oder die Verschuldung von Entwicklungsländern.

Die Normalität von Bankeninsolvenzen und Fusionen:

Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Bankenzusammenbrüche und -krisen keine ungewöhnlichen Vorkommnisse sind. Im Laufe der Geschichte sind zahlreiche Banken fusioniert oder geschlossen worden im Rahmen von Bankenkrisen. Solche Ereignisse stellen zwar eine Herausforderung dar, sind aber Teil des natürlichen Zyklus der Finanzbranche. Das Verständnis dieses zyklischen Charakters kann Anlegern helfen, eine realistischere Perspektive zu gewinnen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Seien Sie nicht überrascht, wenn bis zum Jahresende ein paar Dutzend Banken offen oder stillschweigend aufgrund von Fusionen in Konkurs gehen werden. Das ist nicht „das Ende der Welt“. Schwerwiegender wäre, dass der Refinanzierungsbedarf von Unternehmen im Immobilienbereich nicht gedeckt wird, oder dass die Staatsschulden der Entwicklungsländer ausfallen. Beides könnte eine tiefere Rezession auslösen. Hierauf gilt es zu achten.

Angesichts des Vortrags wurde den Privatanlegern geraten, ihre Finanzen mit Vorsicht und Weitsicht anzugehen. Der Aufbau und die Pflege eines Notfallfonds in Form von Bargeld und Gold wurde hervorgehoben, um sich gegen unerwartete wirtschaftliche Abschwünge abzusichern. Darüber hinaus wurde empfohlen, in Unternehmen und Immobilien zu investieren, um den Werterhalt trotz der Inflation zu sichern, in der Hoffnung, dass diese Investitionen finanzielle Stürme überstehen und widerstandsfähig bleiben. Diese Art zu investieren, wird durch islamische Regeln ohnehin geboten.

Schaffung einer widerstandsfähigeren Wirtschaft: Erkundung alternativer Lösungen

Neben der Erörterung der islamischen Perspektive auf die Verschuldung und die derzeitige Bankenkrise ging es bei dem Vortrag in Zürich auch um mögliche Lösungen für den Aufbau einer widerstandsfähigeren Wirtschaft, die weniger anfällig für derartige Krisen ist. Der Vortrag betonte die Notwendigkeit, die Förderung von Schulden als globale Politik in der Besteuerung und Regulierung zu überdenken, und schlug alternative Instrumente vor, um Risiken zu mindern und Stabilität zu gewährleisten. Lassen Sie uns diese Lösungen im Detail betrachten:

Beendigung der Förderung von Verschuldung:

Der Vortrag unterstrich, wie wichtig es ist, die vorherrschende globale Politik, die Schulden fördert, neu zu bewerten. In vielen Finanzsystemen wird die Verschuldung durch Besteuerung und Regulierung gefördert, was eine übermäßige Kreditaufnahme begünstigt und zur Fragilität der Volkswirtschaften beiträgt. Um ein widerstandsfähigeres Finanzsystem zu schaffen, ist es von entscheidender Bedeutung, diese Politik zu überdenken und nach alternativen Ansätzen zu suchen, die einer übermäßigen Verschuldung entgegenwirken.

Eigenkapitalunterlegung für Unternehmen:

Ein Lösungsvorschlag, der in der Vorlesung hervorgehoben wurde, ist die Einführung eines ‚Freibetrages für Eigenkapital‘ („Allowance for Corporate Equity“) für Unternehmen. Dieses Instrument würde Anreize für Unternehmen schaffen, sich mehr mit Eigenkapital als mit Fremdkapital zu finanzieren. Durch die Gewährung von Steueranreizen oder -befreiungen für Eigenkapitalinvestitionen würden Unternehmen ermutigt, sich über Eigenkapitalpartnerschaften oder Gewinnbeteiligungsvereinbarungen zu finanzieren, ihre Interessen mit denen der Investoren in Einklang zu bringen und die mit der Fremdfinanzierung verbundenen Risiken zu verringern.

Obergrenze für die Abzugsfähigkeit von Zinsen:

Um das Problem der zinsbedingten Schuldenanhäufung anzugehen, wurde in dem Vortrag die Einführung einer Obergrenze für die Abzugsfähigkeit von Zinsen vorgeschlagen. Diese Maßnahme würde die Höhe der Zinsaufwendungen begrenzen, die Unternehmen von ihrem steuerpflichtigen Einkommen abziehen können. Indem die übermäßige Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen eingeschränkt wird, ermutigt dieser Ansatz die Unternehmen, weniger auf Fremdfinanzierung zu setzen, was die Anfälligkeit für nicht tragfähige Schuldenberge und potenzielle Krisen verringert.

Versicherungsmodell für die Einlagensicherung:

Der Vortrag schlug ein alternatives Modell für die Einlagensicherung vor, das vom traditionellen Baseler Ansatz der Risikogewichtung zu einem versicherungsbasierten System übergeht („risk based premiums“). Anstatt sich ausschließlich auf die risikogewichteten Aktiva zu stützen, um die Höhe der Einlagensicherung zu bestimmen, würde ein Versicherungsmodell die Mittel von Finanzinstituten bündeln, um einen umfassenden Schutzmechanismus zu schaffen – zu einem marktbasierten Preis, anstatt in einem kalkulatorischen Modell Schulden gegenüber Eigenkapital zu bevorzugen. Dieser Ansatz würde den Einlegern mehr Stabilität und Sicherheit bieten, das Risiko eines Bank-Runs vermindern und das Vertrauen in das Finanzsystem stärken.

Vollgeld:

Eine weitere alternative Lösung, die in der Vorlesung erörtert wurde, ist das Konzept eines Vollreservegeldsystems. Dieses System sieht eine Trennung zwischen Geschäftsbanken und Geldschöpfung vor und verpflichtet die Banken, für alle Kundeneinlagen auf Girokonten volle Reserven zu halten. Indem die Fähigkeit der Banken zur Geldschöpfung durch die Vergabe von Krediten mit Mindestreserven eingeschränkt wird, zielt dieser Ansatz darauf ab, eine exzessive Kreditausweitung zu verhindern und die mit einer schuldenfinanzierten Wirtschaft verbundenen Risiken zu verringern, und macht Bank-Runs schlichtweg unnötig.

Schlussfolgerung:

Der Vortrag in Zürich beleuchtete die islamische Perspektive auf Schulden und ihre vorsichtige Haltung gegenüber zinsgetriebenen Krediten. Ziel des Vortrags war es, durch die Analyse historischer Bankenkrisen wertvolle Einblicke in die aktuelle Bankenkrise zu geben und Anleitungen für Privatanleger und politische Entscheidungsträger zu bieten:

Privatanleger sollten Finanzangelegenheiten mit Bedacht angehen und aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen, denn Bankenzusammenbrüche und -krisen sind Teil der Ebbe und Flut in der Finanzwelt. Indem sie informiert bleiben und umsichtige Investitionsentscheidungen treffen, können Privatpersonen schwierige wirtschaftliche Zeiten überstehen und gleichzeitig ihr Vermögen bewahren und vermehren. Die Gewerbeimmobilien in den USA und die Schuldenlage der Entwicklungsländer stellen derzeit potenzielle Gefahren für die Wirtschaft dar. Eine Krise in diesen Bereichen könnte weitreichende Auswirkungen haben. Es ist wichtig, diese Risiken zu beachten.

Politische Entscheidungsträger sollten sich um die Schaffung einer widerstandsfähigen Wirtschaft bemühen. In dem Vortrag wurde betont, dass der Weg zu einer widerstandsfähigeren Wirtschaft eine Neubewertung des derzeitigen Ansatzes zur Schuldenförderung und die Erkundung alternativer Lösungen erfordert. Instrumente wie der Unternehmensfreibetrag für Eigenkapital, eine Begrenzung der Zinsabzugsfähigkeit, ein versicherungsbasiertes Einlagensicherungsmodell und ein Vollreservegeldsystem wurden als mögliche Maßnahmen zur Risikominderung und zum Aufbau eines stabileren Finanzsystems vorgestellt. Mit diesen alternativen Ansätzen können politische Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden eine nachhaltigere und widerstandsfähigere Wirtschaft anstreben und die Wahrscheinlichkeit künftiger Bankenkrisen und ihrer weitreichenden Auswirkungen verringern.

Falls Sie einen politischen Entscheidungsträger kennen: Bitte leiten Sie diesen Blogeintrag an ihn/sie weiter.